Mehr als 900 Kilometer durch drei Bundesländer hat ein junger Wolfsrüde aus Cuxhaven im Frühjahr 2016 in 104 Tagen zurückgelegt
In der Nacht zum Ostersamstag wurde im Dorf Sommersell im Kreis Lippe ein Ziegenbock gerissen. Untersuchungen ergaben, dass ein etwa zehn Monate alter, männlicher Welpe des Cuxhavener Wolfsrudels Nordrhein-Westfalen erreicht hatte. Bereits im Februar hatte dieser Wolf GW477m genetische Spuren an einem gerissenen Schaf in der Nähe seines Heimatrudels in Niedersachsen hinterlassen. Er legte die Strecke von Cuxhaven bis in den Kreis Lippe – 230 km Luftlinie – in 38 Tagen zurück.
Obwohl bereits körperlich ausgewachsen, galt dieser Wolf noch als Welpe, da er noch kein Jahr alt war. Dieses Jungtier erkundete nicht nur die Umgebung und das heimatliche Revier im Norden Niedersachsens, sondern begab sich relativ früh auf Wanderschaft.
Sichtungen und Nachweise
Im April wurden weitere Nutztierrisse des jungen Wolfes in Oelde-Sünninghausen (Kreis Warendorf) und in Rösrath (Rheinisch-Bergischer Kreis) genetisch nachgewiesen.
Im Kreis Paderborn wurde bereits Ende März ein Wolf ohne individualisierten Nachweis durch eine Haaranalyse bestätigt – er überlebte den Zusammenstoß mit einem Auto anscheinend mit nur geringen Verletzungen. Vier Tage später konnte ein Jäger einen Wolf filmen, der frühmorgens im Kreis Gütersloh über eine Wiese lief. Der Wolf sah gesund aus, fühlte sich jedoch erkennbar unwohl in der Situation und versuchte wegzulaufen.
Video „Wolf in Rietberg gefilmt“ vom Westfalen-Blatt: → https://www.youtube.com/watch?v=JRxxYK-y7Ts
Das → LANUV geht davon aus, dass es sich bei diesen Nachweisen jeweils um dasselbe Individuum aus Cuxhaven gehandelt hat. Zeitlich und räumlich passen diese Nachweise in den Kreisen Paderborn und Gütersloh sehr gut zwischen die individualisierten Nachweise im Kreis Lippe und im Kreis Warendorf.
(Quelle: → https://www.lanuv.nrw.de/uploads/tx_commercedownloads/LfN_Natur_Heft_02_16_25832_monitor.pdf, Seite 21).
Am 24. April wurde der Cuxhavener Wolf in Rheinland-Pfalz nachgewiesen. Seine Spur verlor sich dort.
Zurück in Niedersachsen
Es gab keine weiteren Nachweise mehr, bis bekannt wurde, dass er zurück nach Niedersachsen gelaufen war.
Ende Mai wurde seine Anwesenheit in Bode bestätigt, östlich vom Truppenübungsplatz Munster. Zielstrebig und unauffällig lief er zurück Richtung Norden. Er hat damit etwa 900 Kilometer in 104 Tagen zurückgelegt und mindestens drei Bundesländer durchstreift.
Bekannte Stationen auf seiner Wanderung:
16.02.2016 Hemmor, Landkreis Cuxhaven, Niedersachsen (DNA)
27.03.2016 Sommersell/Barntrup, Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen (DNA, Wildkamera)
06.04.2016 Oelde-Sünninghausen, Kreis Warendorf, Nordrhein-Westfalen (DNA)
19.04.2016 Rösrath, Rheinisch-Bergischer Kreis, Nordrhein-Westfalen (DNA)
24.04.2016 Dierdorf, Kreis Neuwied, Rheinland-Pfalz (DNA)
30.05.2016 Bode, Kreis Uelzen, Niedersachsen (DNA)
Mögliche Stationen auf seiner Wanderung (keine individualisierten Nachweise):
30.03.2016 Borchen, Kreis Paderborn, Nordrhein-Westfalen (DNA)
30.03.2016 Oberntudorf, Kreis Paderborn, Nordrhein-Westfalen (Haaranalyse)
03.04.2016 Rietberg-Masholte, Kreis Gütersloh, Nordrhein-Westfalen (Sichtung)
Der Streckenverlauf zwischen den Nachweisen ist simuliert – die exakte Route des Wolfes bleibt offen.
Quelle der Nachweise: Wolfsmonitoring der Länder
Hintergrund: Warum wandern Wölfe?
Ein Wolfsrudel in freier Wildbahn ähnelt einer menschlichen Familie. Die Eltern, Rüde und Fähe, leben in einer monogamen Partnerschaft und bleiben ein Leben lang zusammen. Gemeinsam führen sie die Familie an. Nur sie paaren sich und achten darauf, dass kein fremder Wolf ihr Territorium betritt. Zu einem Rudel Wölfe gehören außerdem die Welpen, die Anfang Mai nach nur zweimonatiger Tragezeit zur Welt kommen. In ihrem ersten Lebensjahr sind die Welpen auf die volle Fürsorge ihrer Eltern angewiesen. Die Jugendlichen, Jährlinge genannt, sind ein bis zwei Jahre alt. Sie bleiben meist bis zum Erreichen der Geschlechtsreife (mit 10-22 Monaten, meist aber erst mit knapp 2 Jahren) im Rudel und helfen bei der Aufzucht der Welpen mit.
Sobald sie bereit sind, eine eigene Familie zu gründen, verlassen sie in der Regel das elterliche Territorium. Dann beginnt für sie die große Suche nach einem Partner und einem eigenen Revier mit Wanderungen von oft vielen hundert Kilometern. Deshalb kann man sich überall in Deutschland auf das Erscheinen eines Wolfes einstellen. In vielen Regionen Deutschlands scheitern die Wanderungen der Wölfe – und damit ihre Ausbreitung – jedoch an den vielen Straßen und Autobahnen, die ihren Lebensraum zerschneiden.